Jügen Klopp trifft Kardinal Lehmann

Jürgen Klopp interviewte Karl Kardinal Lehmann für die MAINZ Vierteljahreshefte / Auszüge aus dem Interview

 

Für zwei Stunden verabreden sich Jürgen Klopp und Karl Kardinal Lehmann im Bischöflichen Ordinariat zu einer ungewöhnlichen Begegnung: Christ trifft Christ, Mensch trifft Mensch, Fußballtrainer trifft Fußballanhänger. Anlass ist ein Exklusiv-Interview für die Mainz Vierteljahreshefte, angeregt vom Chefredakteur und Herausgeber Michael Bonewitz. Sowohl Jürgen Klopp als auch Kardinal Lehmann zeigen sich spontan von der Idee begeistert. Beim Gespräch selbst wechseln sie ihre Rollen wie beim eingespielten Doppelpass zweier Mittelfeldspieler – und sie haben sichtlich Spaß daran. Mal fragt Klopp nach der Macht in der Kirche, mal analysiert Kardinal Lehmann die Schwächen der 05er. Zwei Stunden nachfragen, ausfragen, hinterfragen, querfragen – unbefangen und offen, ehrlich und herzlich interviewt einer den anderen. Die Themen ranken sich von überraschenden Gemeinsamkeiten in ihrer Jugend, über die Auswirkungen des Weltjugendtages, über persönliche Glaubensfragen bis zu Diskussionen über die schönste Nebensache der Welt. Nachzulesen ist das vollständige Interview in der Jubiläumsausgabe der MAINZ Vierteljahreshefte. Im Folgenden einige Auszüge aus dem Gespräch zwischen Jürgen Klopp und Kardinal Lehmann.

 

 

Lehmann: Wo sind Sie denn groß geworden, Herr Klopp?

Klopp: Nördlicher Schwarzwald, Baden-Württemberg.

Lehmann: Und wo da genau?

Klopp: Glatten bei Freudenstadt.

Lehmann: Oh, da haben wir eine kleine Gemeinsamkeit. In der unmittelbaren Nachbarschaft habe ich einen Teil meiner Jugend verbracht. Mein Vater war 1936 - als ich zur Welt kam - Lehrer in Empfingen, da wo heute die Autobahnausfahrt ist. Ich war übrigens auch später noch mal hier, da war ich aber schon Bischof. Ich habe die Gemeinde Horb besucht, weil ein nicht ganz unwichtiger Bischof des ausgehenden 19. Jahrhunderts aus Horb kam. (Anm. der Redaktion: Dr. Paul Leopold Haffner, geboren am 21. Januar 1829, gestorben am 2. November 1899 in Mainz, er war Bischof von Mainz).

Klopp: Die ganze Ecke muss ja sehr katholisch sein. Aber ab Freudenstadt geht es dann los, dass die Leute hauptsächlich evangelisch sind.

Lehmann: Und Sie haben lange in Freudenstadt gelebt?

Klopp: …in Glatten, wo ich auch zur Schule gegangen bin. Ich bin in Stuttgart geboren und meine Eltern, die hatten in Glatten eine Brauerei, besser gesagt meine Oma hatte die Brauerei, die hieß Schwanenbrauerei.

Lehmann: Ach, Schwanenbräu, das sagt mir was...

Klopp: Ja, ich komme aus einer Bierbrauerei-Familie. Mein Vater war ursprünglich aus Kirn, hat Kürschner gelernt und ist dann in den Schwarzwald gezogen, dort hat er meine Mutter kennen gelernt, erst meine Schwestern gezeugt und dann mich (5 und 7 Jahre älter). Ich bin sozusagen ein Nachzügler. Mein Vater ist katholisch und meine Mutter evangelisch. Warum ich evangelisch wurde, weiß ich nicht mehr. Aber das lag wohl an der Oma. Meine Oma, also die Mutter meiner Mutter, die Bierbrauerin, war eine sehr dominante Persönlichkeit. Die meinte dann, die Kinder werden evangelisch.

Lehmann: Und was hat das Bierbrauen mit dem Fußball zu tun?

Klopp: Zu Fritz Walters Zeiten war mein Vater in Kirn, dort hat er in der höchsten Amateurliga gespielt und war einer der jüngsten Vertragsspieler. Mit 18. Damals haben Kirn und Kaiserslautern häufig in einer Liga gegeneinander gespielt. Mein Vater hat mir mal seinen alten Vertrag gezeigt. Sein Vater wiederum, der Karl, hat dann aber gesagt, des wird nix mit dem Fußball, du darfst da nicht so viel Zeit reinstecken. Dann hat mein Vater das Fußballspielen ein bisschen aus den Augen verloren. Aber er war halt Sportler durch und durch. Mit zwei Jahren hat er mir ein Fußballtor ins Wohnzimmer gestellt.

Lehmann: Sie haben also das gemacht, was er gerne gemacht hätte.

Klopp: Ja, es ist tatsächlich so. Ich habe mich manchmal gefragt, ob das Zufall war. Sicher nicht. Aber wenn wir schon beim Thema sind: Mein Fußball-Fieber hat mit zwei Jahren angefangen. Wann haben Sie denn Ihre beruflichen Wurzeln entdeckt?

Lehmann: Bei mir war das nicht so früh. Ich habe mich erst ein halbes Jahr vor dem Abitur entschlossen, Theologie zu studieren. Ich wusste, dass ich etwas machen wollte, das mit Menschen zu tun hat – das haben wir wahrscheinlich gemeinsam. In der Schule hatte ich hervorragende Lehrer in Deutsch und Philosophie. Und wir haben uns viel mit der Frage beschäftigt: Woher kommt der Mensch, wohin geht er? Was ist mit dem Leid und so weiter? Mir war damals schon klar: In dieser Richtung werde ich irgendetwas studieren. Das hat sich dann fast von selbst ergeben, weil ich damals viel in unserer Pfarrgemeinde mitgearbeitet habe, wie viele andere auch.

Klopp: Theologie zu studieren bedeutet aber nicht gleich Pfarrer zu werden.

Lehmann: Heute nicht mehr. Damals gab es weitgehend nur die Möglichkeit, dass man Pfarrer wird. Heute gibt es auch pastorale Laienberufe. Frauen und Männer, die beispielsweise Pastoralreferenten werden. Die absolvieren genau dasselbe Studium wie ein Pfarrer. Eine andere Sparte sind die so genannten Gemeindereferentinnen, die machen mehr die Fachhochschule. Dann gibt es noch die verheirateten ständigen Diakone. Das ist nach dem Konzil entstanden. Zu meiner Zeit, als ich angefangen habe, konnte man eigentlich mit Theologiestudium nur Priester werden ...Fußball habe ich übrigens vorher gespielt.

Klopp: Jetzt wird’s spannend…

Lehmann: Mein Vater war ja Lehrer und so lebten wir immer in etwas größeren Dörfern und da habe ich dann in den Sportvereinen Fußball gespielt, in der A-Klasse. Später habe ich auch noch über die Spiele geschrieben, war sozusagen Sportreporter (Lehmann lacht). Da habe ich mir ein kleines Taschengeld verdient. Aktiv gespielt habe ich dann solange bis ich mit dem Studium fertig war. Deswegen habe ich auch heute noch ein echtes Interesse. Früher habe ich mich natürlich für die großen Vereine und die großen Spieler interessiert. Damals war zum Beispiel Waldhof Mannheim meine Lieblingsmannschaft, die waren mal richtig gut. Na, Fritz Walter und die Kaiserslauterer habe ich immer mal wieder direkt erlebt.

Klopp: Kommen sie heute noch beruflich mit Fußball in Kontakt?

Lehmann: Neulich war ich bei einem Termin bei Borussia Dortmund. Wir hatten ein sehr ausführliches Gespräch über Sport und Ethik. Das wurde auf einer ganzen Seite in der „Welt“ veröffentlicht. Anschließend bin ich ins Stadion, wo Borussia Dortmund gegen den VFB gespielt hat. Beim VFB war ich übrigens als Jugendlicher auch zwei oder drei Mal auf dem Platz.

Klopp: Ich auch, also auch hier eine Gemeinsamkeit.

Lehmann: Umso mehr habe ich mich gefreut und auch zwei Jahre lang mitgezittert, dass Mainz 05 aufsteigt. Und das erste Jahr war ja auch wirklich glücklich und gut. Und jetzt, wie soll ich sagen...

Klopp: ... jetzt kommt die Prüfung. Manchmal muss man das wirklich so sehen. Ich habe damit auch kein größeres Problem. Mir ist es auch lieber, wenn ich mich über einen Sieg freuen kann und mich nicht mit einer Niederlage auseinander setzen muss. Aber seit meinem 5. Lebensjahr muss ich damit umgehen. Also: Wenn es ein paar mal in Folge passiert, ist es nicht sonderlich angenehm, aber es ist auch kein Problem. Mein Glaube in die Mannschaft ist durch nichts zu erschüttern.

Lehmann: Wie wichtig war denn dann das erste Tor in dieser Saison.

Klopp: Ich weiß nicht, ob Sie die Bilder gesehen haben. Das war ein ziemlich heftiger Torjubel in aller Öffentlichkeit. (Lehmann lacht) Da muss ich mich ja noch im Nachhinein für entschuldigen.

Lehmann: Aber dafür brauchen Sie sich doch nicht zu entschuldigen. Das macht doch gerade ihr Bild aus: Dass Sie ursprüngliche Freude haben können, was ich ganz besonders wichtig finde. Aber natürlich hängt so viel mit dran, an so einem Verein, wenn man die ganze Organisation und die Ökonomie sieht. Da ist die Frage, ob das Spiel am Ende dann doch noch ein Spiel bleibt.

Klopp: Man muss die Regeln akzeptieren. Ich weiß, was alles hinten dran hängt. Wenn man in Phasen, wo es nicht so läuft, nur negative Szenarien ausmalt, das hilft nichts. Man muss beim Spiel locker bleiben, um es richtig spielen zu können. Damit habe ich wirklich kein Problem. Ich weiß, dass es anderen Leuten etwas schwerer fällt.

Lehmann: Wichtig ist doch, dass die Mannschaft weiß, dass der Trainer hinter ihnen steht – auch wenn es mal schief geht. So aus Laiensicht hatte ich bei den Spielen, bei denen ich dabei war, vor allem zwei Eindrücke… 

 

Das ganze Interview finden Sie in der Jubiläumsausgabe und die ist hier erhältlich.